Es wird geschätzt, dass in Deutschland circa 10 % der Erwachsenen, das entspricht 8–10 Millionen Menschen, eine chronische Nierenkrankheit (CKD) haben (1, 2). Die Prävalenz steigt altersabhängig an und liegt in Settings wie Hausarztpraxen bei circa 30 % (3), in Pflegeheimen bei bis zu 50 % (1, 2, 4). Die CKD ist definiert über eine mehr als drei Monate anhaltende reduzierte geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) von unter 60 mL/min/1,73 m² oder eine erhöhte Albumin-Kreatinin-Ratio im Spontanurin (UACR) von über 30 mg/g Kreatinin mit und ohne strukturellen Veränderungen der Nieren. Nach der Organisation Kidney Disease Improving Global Outcome (KDIGO) wird die CKD anhand der GFR in fünf Stadien (G1–5) eingeteilt sowie anhand der Albuminurie in drei Stadien (A1–3) klassifiziert (Grafik 1) (5, 6). Für die Diagnose einer CKD muss mindestens ein Befund auffällig sein: Bei einer eGFR größer als 60 mL/min/1,73 m² ohne Albuminurie und ohne strukturelle Veränderungen liegt keine CKD vor. Bei strukturellen Veränderungen (zum Beispiel Zystennieren), einer Nierenfunktion von mehr als 60 mL/min/1,73 m² und ohne Albuminurie befinden sich Patientinnen und Patienten in den Krankheitsstadien G1A1 und G2A1. Die Mehrheit der Betroffenen wird hauptsächlich hausärztlich betreut. Jährlich kommen circa 12 000 Patientinnen und Patienten in Deutschland dazu, die dauerhaft eine Dialyse benötigen und es werden circa 2 000 Nieren transplantiert (7). Das Risiko der Progression zum Nierenversagen ist für einzelne Patientinnen und Patienten relativ gering, hat aber eine große individuelle und gesundheitsökonomische Tragweite. In Deutschland gibt es 1 380 ambulante Nephrologen und Nephrologinnen (Stand 2023, Kassenärztliche Bundesvereinigung). Eine gute Versorgung aller Nierenkranken erfordert ein koordiniertes und gestuftes Management. Ziel des Updates der Leitlinie ist es, evidenzbasierte Handlungsempfehlungen für die hausärztliche Versorgung für Prävention, Screening, Diagnostik und Therapie der nichtnierenersatztherapiepflichtigen CKD bei Erwachsenen sowie für die Überweisung in die Nephrologie bereitzustellen. So sollen die Progression zum Nierenversagen, zu Notfalldialysen und das Auftreten von Komplikationen möglichst verhindert oder verzögert werden.

Grafik 1
KDIGO-Einteilung mit Warnfarben für das Risiko eines Nierenversagens
Im AbbildungsverzeichnisMethoden
Es wird die von der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) empfohlene Terminologie verwendet (8). Die 2019 veröffentlichte Leitlinie basierte auf einem Leitlinien-Review (9). Für das Update wurde eine Literatursuche zu aktualisierten Leitlinien bis Dezember 2023 durchgeführt. Als primäre Quellleitlinien wurden die 2021 erschienene Leitlinie des National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) (10) und die 2024 aktualisierte KDIGO-Leitlinie (5) verwendet. Zu einzelnen Themen wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. Weitere Informationen sind dem Methodenreport zu entnehmen (1). Die Empfehlungen wurden in einem moderierten zweistufigen Gruppenprozess von den Mandatsträgern der beteiligten Fachgesellschaften und der Patientenvertretung konsentiert (eKasten).

eKasten
Leitlinienautoren (alphabetisch), teilnehmende Fachgesellschaften und Patientenvertretung
Im AbbildungsverzeichnisAnlassbezogene Untersuchungen und Vorgehen bei Erstdiagnose
Ein Screening der Nierenfunktion (eGFR) wird nicht empfohlen, aber es gibt viele Anlässe, bei denen eine Untersuchung der Nierenfunktion empfohlen wird. So zum Beispiel bei Erstdiagnosen von Diabetes oder Bluthochdruck, vor Verordnungen von nephrotoxischen Medikamenten oder von Medikamenten, die bei eingeschränkter Nierenfunktion kumulieren können (zum Beispiel Methotrexat). Ist die eGFR reduziert, muss zwischen einer akuten Nierenkrankheit (AKD) und einer CKD unterschieden werden, was klinisch meist leicht gelingt. Für die Diagnose einer CKD ist eine zweite eGFR-Bestimmung nach drei Monaten notwendig. Eine Abnahme der eGFR ab dem 40. Lebensjahr um circa 0,5–1 mL/min pro Jahr ist physiologisch. Daher sind Alterungsprozesse von einer CKD nicht immer sicher abzugrenzen. Die eGFR unterliegt Messvarianzen und einer biologischen Varianz (circa 5 %), die im Grenzbereich zum Übergang in ein höheres Stadium der CKD führen können. Eine Abnahme der eGFR um 20–25 % vom Ausgangswert gilt als Hinweis für eine relevante Progression, die über der Messvarianz liegt (10). Bei Verdacht auf eine akute Nierenkrankheit und Symptomen wie Luftnot und Ödemen sollte eine direkte Krankenhauseinweisung erfolgen. Ohne akute Symptome wird bei Verdacht auf eine AKD eine Kontrolle innerhalb von wenigen Tagen bis hin zu zwei Wochen empfohlen.
Zur Beurteilung der Nierengesundheit ist die eGFR unzureichend: Sie gibt Auskunft über die Entgiftungsleistung, aber nicht über den Zustand des glomerulären „Filters“, der Proteine und Zellen im Blut zurückhält. Wenn Bluteiweiße wie Albumin in den Harn gelangen, ist dies ein starker Hinweis auf eine glomeruläre Schädigung. Daher sollte zur Beurteilung der Nierengesundheit auch das Vorliegen einer Albuminurie, einer Hämaturie und eines erhöhten Blutdrucks erfasst werden.
Die semiquantitative Bestimmung der Proteinurie über einen Urinstreifentest ist nicht ausreichend zuverlässig, und kleinere Albuminmengen (Mikroalbuminurie) werden nicht erfasst. Aus diesem Grund sollte die Bestimmung mittels Albumin-Kreatinin-Ratio (UACR) in einer Spontanurinprobe erfolgen. Die Bestimmung der UACR ist für eine Abschätzung des Risikos für ein Nierenversagen und die Entscheidung über die Verordnung von Natrium-Glukose-Kotransporter 2(SGLT2)-Hemmern bedeutend. Es ist eine im Verhältnis zum Laborbudget teure Untersuchung (3,80 Euro; Stand Juli 2024), die noch zu selten durchgeführt wird. Nach Ausschluss einer Albuminurie ist ohne Anlass keine weitere Bestimmung mehr notwendig. Sollte eine Albuminurie nachgewiesen werden, sollte eine weitere Abklärung beziehungsweise Überweisung in die Nephrologie erwogen werden. Eine Kontrolle wird nach ein bis zwei Jahren empfohlen.
Um eine Hämaturie auszuschließen, wird die Durchführung eines Streifentests empfohlen, weil eine mikroskopische Untersuchung in der Praxis kaum noch durchführbar ist. Bei einem positiven Ergebnis wird wegen des hohen Anteils falsch positiver Befunde eine zweite Untersuchung im Abstand einiger Tage empfohlen (11). Nur ein kleiner Teil der Hämaturie (< 10 %) ist durch eine Nierenkrankheit, zum Beispiel eine Glomerulonephritis, bedingt. Eine urologische Erkrankung ist wahrscheinlicher. Die Interpretation sollte in der Zusammenschau mit anderen Befunden erfolgen. Eine Makrohämaturie muss immer zunächst urologisch abgeklärt werden.
Eine Zusammenfassung des Vorgehens bei Erstdiagnose ist in Grafik 2 dargestellt. Bei der Erstdiagnose einer CKD sollten außerdem Bluthochdruck und Diabetes ausgeschlossen oder gegebenenfalls deren Einstellung überprüft werden. Es ist eine Kontrolle aller verordneten und freiverkäuflich eingenommen Medikamente erforderlich, die dann in regelmäßigen Abständen, beispielsweise jährlich, erfolgen sollte. Hinweise zu eventuell notwendigen Dosisanpassungen findet man bei www.dosing.de.

Grafik 2
Algorithmus zum Vorgehen bei Verdacht auf eine Nierenkrankheit (1)
Im AbbildungsverzeichnisNeu wird in der aktualisierten Version der Leitlinie nach der Erstdiagnose die bisher optionale Ultraschalluntersuchung der Nieren und der ableitenden Harnwege einmalig empfohlen. Größe, Form und Struktur der Nieren können diagnostische Hinweise liefern und eine Obstruktion der Harnwege oder Zystennieren können ausgeschlossen werden. Bei der Entscheidung über eine Überweisung in die Nephrologie kann die Grafik 3 aus der Leitlinie helfen. Die Entscheidung sollte mit den Patientinnen und Patienten gemeinsam unter Berücksichtigung der Gesamtsituation getroffen werden.

Grafik 3
Entscheidungshilfe zur Überweisung in die Nephrologie (1)
Im AbbildungsverzeichnisEbenfalls wird nun die Abschätzung einer Progression zum Nierenversagen mit einem geeigneten Risikoinstrument empfohlen. Am besten geeignet erscheint derzeit die Kidney Failure Risk Equation (KFRE), mit der – basierend auf Alter, Geschlecht, eGFR und UACR – das Progressionsrisiko zum Nierenversagen in den nächsten zwei oder fünf Jahren abgeschätzt werden kann. Auf der Internetseite www.risiko-nierenversagen.de kann mit Hilfe des Online-Rechners dieses Risiko direkt ermittelt werden. Die KFRE wurde in vielen unabhängigen Populationen und auch in Deutschland validiert (12, 13). Eine Evaluation der Vorhersagegüte der KFRE bei verschiedenen Nierenkrankheiten, wie zum Beispiel der polyzystischen Nierenkrankheit oder der Glomerulonephritis, zeigte auch hier eine gute Diskrimination (14). Eine Alternative bei CKD und Diabetes ist das in Deutschland entwickelte Risikoinstrument BEAt-DKD (https://beatdkd.shinyapps.io/shiny/). Es wurde in einer deutschen Population entwickelt und validiert (15), die Webseite ist nur auf Englisch verfügbar. Vorteil der Abschätzung des Progressionsrisikos mit einem Risikoscore ist, dass – anders als in der KDIGO-Klassifikation (Grafik 1) – nicht fünf kombinierte Endpunkte angegeben werden, sondern eine definierte und nachvollziehbare Risikoangabe in absoluten Zahlen, welche Alter und Geschlecht berücksichtigt für das Auftreten eines nierenersatztherapiepflichtigen Nierenversagens in einem definierten Vorhersagezeitraum.
Monitoring und Therapie
Eine Übersicht zum Vorgehen bei etablierter CKD bietet die Grafik 4 (1). Zum Monitoring der CKD gehören – neben einer periodischen Bestimmung der eGFR – ein Medikamentenreview, die Blutdruckkontrolle und eine Lebensstilberatung. Die Monitoringabstände werden gemeinsam mit den Betroffenen individuell abgestimmt. Sie lassen sich wissenschaftlich kaum begründen (eGrafik). Wichtiger sind Kontrollen in kritischen Situationen, wie Medikamentenumstellungen oder bei interkurrierenden Erkrankungen. Lebenserwartung und Patientenwünsche spielen bei der Entscheidung über Monitoring und Überweisung in die Nephrologie eine wichtige Rolle (eGrafik). Es sollte überlegt werden, ob eine einmalige Überweisung oder eine kontinuierliche Mitbetreuung gewünscht wird.

Grafik 4
Algorithmus zum Vorgehen bei einer etablierten CKD (1)
Im Abbildungsverzeichnis
eGrafik
Empfehlungen für die Monitoringfrequenz (Anzahl Kontrolluntersuchungen pro Jahr) anhand GFR- und Albuminuriestadien-Empfehlung zur Frequenz der Monitoringuntersuchungen/Jahr modifiziert nach NICE (1, 8)
Im AbbildungsverzeichnisDie Kontrolle aller eingenommen Medikamente – einschließlich freiverkäuflicher Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel – sollte einmal jährlich erfolgen. So können Dosisanpassungen vorgenommen und Kontraindikationen erkannt werden. Freiverkäufliche Medikamente wie Ibuprofen sind bei einer eGFR unter 30 mL/min/1,73 m² kontraindiziert, sollten aber auch bei einer höheren eGFR nur so kurz und so niedrig dosiert wie möglich eingesetzt werden.
Eine Kontrolle der Blutdruckeinstellung sollte bei allen Monitoringterminen erfolgen. Es wird ein Zielblutdruck ≤ 140/90 mmHg empfohlen. Für die Medikamentöse Therapie wird basierend auf einer Netzwerkmetaanalyse eine bevorzugt medikamentöse Blutdrucksenkung mit Angiotensin-Konversionsenzym-Hemmern (ACE-Hemmern) oder Angiotensin-Rezeptorblockern empfohlen (1, 5, 10, 16). Sie senken die Odds Ratio (OR) für ein renales Ereignis (OR = 0,54; Konfidenzintervall-95-%: [0,41; 0,73]) und die Gesamtmortalität um 0,7 [0,66; 0,91]. Die beiden Wirkstoffgruppen sollen auch bei einer eGFR kleiner als 30 mL/min/1,73 m² weiter verordnet, aber nicht miteinander kombiniert werden. Niedrigere Zielblutdruckwerte können individuell zum Beispiel bei Albuminurie vereinbart werden. Die European Society for Hypertension (ESH) schlägt die folgenden altersabhängigen Zielwerte für den Blutdruck vor:
bei 18–64-Jährigen: 130/80 mm Hg,
bei 65–79-Jährigen: 140/80 mm Hg (wenn gut toleriert 130/80 mmHg),
bei ≥ 80-Jährigen: 140–150/80 mm Hg (wenn gut toleriert 140/80 mmHg).
Der Blutdruck sollte in der Regel nicht unter 120 mm Hg systolisch gesenkt werden (17).
Durch eine individuell angepasste Beratung zum Lebensstil wie der Verzicht auf Nikotin und egelmäßige Bewegung können die Betroffenen selbst etwas für ihre Gesundheit zu tun. Die Evidenz in Bezug auf renale Endpunkte ist gering. Diätetische Einschränkungen der Protein- und Energiezufuhr werden wegen des Risikos der Sarkopenie nicht empfohlen. Es gelten die Empfehlungen für die Allgemeinbevölkerung. Eiweißrestriktive Diäten bei Menschen mit CKD sollten nur in Absprache mit der Nephrologie erfolgen. Bei einem hohen Alter, einem niedrigen BMI oder einem ungewollten Gewichtsverlust in Verbindung mit einer CKD sollte auf das Vorliegen einer Mangelernährung geachtet werden. Hier besteht jetzt immer häufiger die Möglichkeit mit einer ärztlichen Notwendigkeitsbescheinigung eine Ernährungsberatung nach § 43 SGB V zu verordnen. Die qualifizierten Ernährungsberater und -beraterinnen wenden sich zur Erstattung an die Krankenkassen. Bei einem erhöhten kardiovaskulären oder renalen Risiko werden eine salzarme, mediterrane, ballaststoffreiche Kost und ein Verzicht auf hochprozessierte Lebensmittel wie Fertiggerichte und gesüßte Getränke empfohlen.
Menschen mit CKD haben ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Das Risiko sollte mit einem validierten Risikoinstrument, zum Beispiel arriba (https://arriba-hausarzt.de/) geschätzt werden, wenn die Indikation zu einem Statin nicht durch kardiovaskuläre Grunderkrankungen gegeben ist. Die in Deutschland validierten kardiovaskulären Risikoinstrumente berücksichtigen die eGFR nicht. Das spielt für die Risikoeinschätzung nur eine untergeordnete Rolle (18). Die Risikoschwellen, ab der eine lipidsenkende Therapie in der Primärprävention empfohlen wird, sind umstritten; zurzeit wird von der Arzneimittelrichtlinie ein Risiko von über 20 % für ein kardiovaskuläres Ereignis gefordert. Wird das altersentsprechende Risiko als hoch eingestuft, wird eine Statintherapie empfohlen. Für die Nierenfunktion hat dies keinen Vorteil (19). Für die primärpräventive Lipidsenkung bei Menschen über 75 Jahre gibt es keine ausreichende Evidenz, daher ist die Indikation kritisch zu stellen (20). Die Indikation zur Thrombozytenaggregation unterscheidet sich nicht von der bei Menschen ohne CKD und richtet sich nach dem kardiovaskulären Risiko (21).
Auch wenn der HbA1c-Wert ein wichtiger Prädiktor für die Abnahme der eGFR ist, wird bei Diabetes und CKD kein niedrigerer HbA1c-Zielwert empfohlen (22). Es wird zu den Therapieoptionen auf die Nationale Versorgungsleitlinie Diabetes verwiesen. Metformin muss an die Nierenfunktion angepasst werden und bei einer eGFR von weniger als 30 mL/min/1,73 m² abgesetzt werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss erkannte für den nichtsteroidalen selektiven Antagonisten des Mineralokortikoid-Rezeptors Finerenon bei diabetischer Nephropathie keinen Zusatznutzen an, weil nur ein geringer Teil der Nierenkranken die damals noch nicht etablierte Standardtherapie mit einem SGLT2-Hemmer erhielt. Eine nach Abschluss der Recherche publizierte Studie zu Semaglutid bei CKD zeigte eine absolute Risikoreduktion auf den Endpunkt Nierenversagen um 0,8 % (4,7 versus 5,7 %). Es erhielten nur 15 % der Patientinnen und Patienten eine Therapie mit SGLT2-Hemmern (23).
Die Verordnung von SGLT2-Hemmern wird bei CKD mit einer Albuminurie (UACR ≥ 300 mg/g) und beziehungsweise oder bei einer eGFR kleiner als 45 mL/min/1,73 m² empfohlen – auch ohne Diabetes oder Herzinsuffizienz. (1, 5, 10, 24, 25, 26). Zurzeit sind in Deutschland nur Dapagliflozin und Empagliflozin dafür zugelassen. Eine Metaanalyse fand ein niedrigeres relatives Risiko (RR) von 0,62 [0,56; 0,68] für renale Endpunkte (RR = 0,89 [0,85; 0,94]) und für die Gesamtmortalität (26).
Bei der Gabe von SGLT2-Hemmern kann es initial durch Hemmung der glomerulären Hyperfiltration zu einer Absenkung der eGFR um circa 5 mL/min kommen. Im weiteren Verlauf verzögert sich dann aber der weitere Abfall der eGFR. Bei einer eGFR unter 20 mL/min/1,73 m² sollte keine Therapie mit einem SGLT2-Hemmer neu begonnen, eine bestehende Therapie aber nicht beendet werden. Die Leitlinie bietet eine Übersicht zur Orientierung (Grafik 5), wann ein SGLT2-Hemmer verordnet werden könnte.

Grafik 5
Entscheidungshilfe zur Verordnung eines SGLT2-Hemmers (1)
Im AbbildungsverzeichnisMit sinkender eGFR steigt die Serumharnsäurekonzentration. Neuere Studien zeigen keinen Vorteil einer primärpräventiven Behandlung der asymptomatischen Hyperurikämie mit einem Harnsäuresenker (Allopurinol, Febuxostat) für die Niere (27).
Veränderungen im Knochenstoffwechsel bei CKD führen meist erst ab dem Stadium G4 zu Symptomen. Ab dann sollten Kalzium, Phosphat, Parathormon und Vitamin D regelmäßig kontrolliert werden. Da Vitamin D die Phosphat- und Kalziumresorption im Darm fördert und so eine Hyperphosphatämie und Hyperkalzämie auslösen oder verschlechtern kann, sollte eine Substitution nur in Absprache mit der Nephrologie erfolgen. Bei fortgeschrittener CKD und Nierenversagen ist die Hydroxylierung von Vitamin D-Vorstufen nicht mehr möglich. Die Therapie der CKD-MBD (chronische Nierenkrankheit mit Störung des Mineral- und Knochenhaushalts) sowie die Indikationsstellung für aktive Vitamin D-Derivate, die nicht renal aktiviert werden müssen (zum Beispiel Calcitriol, Alfacalcidiol) oder für Phosphatbinder sollten durch die Nephrologie erfolgen.
Die häufigste Ursache für eine Anämie bei einer bestehenden CKD ist ein Eisenmangel. Eine renale Anämie sollte bei persistierendem Hb < 11 g/dL (6,8 mmol/L) vermutet werden, wenn ein Mangel an Eisen, Vitamin B12 und Folsäure oder eine Blutung ausgeschlossen beziehungsweise therapiert worden sind. Die Therapie der renalen Anämie durch Erythropoese-stimulierende Agenzien (ESA) oder durch Hypoxie-induzierbarer Faktor(HIF)-Stabilisatoren sollte durch die Nephrologie erfolgen (10).
Erstmals werden Impfempfehlungen der STIKO (Ständige Impfkommission) für Menschen mit CKD berücksichtigt, die von denen für die Allgemeinbevölkerung abweichen (28, 29):
Grippeschutzimpfung jährlich
Varizella zoster-Impfung ab 50 Jahren
Pneumokokkenimpfung
einmalige Respiratorische Synzytial-Viren-Impfung ab 60 Jahren.
Bei Patientinnen und Patienten mit immunsuppressiver Therapie oder absehbarer Nierenersatztherapie wird eine Hepatitis B-Impfung mit Impfstoffen mit einem höheren Antigengehalt empfohlen (28). Kritisch ist, dass die Impfempfehlungen nur mit Daten von nierenersatztherapiepflichtigen Patientinnen und Patienten begründet werden.
Schlussfolgerung und Ausblick
Die meisten Menschen mit CKD können hausärztlich versorgt werden. Die Leitlinie gibt Hilfestellung für die Therapie, das Monitoring und die Identifikation von Menschen mit CKD, die von einer nephrologischen Mitbetreuung profitieren. Die Messung der UACR findet bisher zu selten statt, ist aber notwendig für eine sichere Beurteilung der CKD sowie für Entscheidungen zum weiteren Management der CKD. Eine Förderung der Messung der UACR durch eine Laborausnahmeziffer wäre hilfreich. Die Datenlage zur Epidemiologie der CKD in Deutschland ist lückenhaft. Der Nutzen der KFRE bei der Steuerung der Versorgung der CKD in der Hausarztpraxis sollte weiter untersucht werden.
Förderung
Diese Leitlinie wurde gefördert vom Innovationsausschuss des gemeinsamen Bundesausschuss (Fördernummer 01VSF22011).
Interessenkonflikt
MN ist Mitglied der DEGAM und des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands Mecklenburg-Vorpommern.
SS hat Honorare für Vorträge von AstraZeneca, Bayer Vital, Glaxo Smith Kline, Lilly und CSL Vifor erhalten. Sie ist Mitglied im Advisory Board von AstraZeneca. Sie ist Vorstandsmitglied der DGfN, der Gesellschaft für Innere Medizin MV und des Landesverbands für Nephrologie MV sowie Vorsitzende der Kommission Frau und Niere der DFfN und Vertreterin im Ärztlichen Beirat des KfH.
SF hat Honorare für Beratungen erhalten von AstraZeneca, Novartis, Medice/Medidigital GmbH und Stadapharm sowie für Vorträge von Astra Zeneca, Akademie Niere a. V., VFED e. V. und StreamedUp! GmbH. Sie ist Vorsitztende der DFfN e.V.
MK erhielt Honorare für Beratungen von Böhringer Ingelheim und Bayer Vital GmbH.
JFC erhielt Honorare für Seminare vom IHF und Ärztekammern sowie für Fehlergutachten für Gerichte, Ärztekammern und den Medizinischen Dienst. Er ist Vizepräsident der DEGAM, Mitglied der Sektion Leitlinien und Qualitätsmanagement der DEGAM und Mitglied im Hausärztinnen- und Hausärzteverband Mecklenbur- Vorpommern.
SK erklärt, dass kein Interessenskonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 24.09.2024, revidierte Fassung angenommen: 24.10.2024
Klinische Leitlinien unterliegen im Deutschen Ärzteblatt, wie auch in vielen anderen Fachzeitschriften, nicht dem Peer-Review-Verfahren, weil es sich bei S3-Leitlinien bereits um vielfach von Expertinnen und Experten (Peers) bewertete, diskutierte und auf breiter Basis konsentierte Texte handelt.
Anschrift des korrespondierenden Verfassers
Prof. Dr. med. Jean-François Chenot, MPH
Abteilung Allgemeinmedizin
Institut für Community Medicine
Universitätsmedizin Greifswald
Walther-Rathenau-Straße 11, 17475 Greifswald
jchenot@uni-greifswald.de
Zitierweise
Kiel S, Negnal M, Stracke S, Fleig S, Kuhlmann MK, Chenot JF: The management of chronic kidney disease not requiring renal replacement therapy in general practice. Dtsch Arztebl Int 2025; 122: 49–54. DOI: 10.3238/arztebl.m2024.0230