
Pulmonale Erkrankungen zählen neben kardiovaskulären Erkrankungen zu den führenden Todesursachen in den Industrieländern. Für ausgewählte Patientinnen und Patienten mit nichtmalignen Lungenerkrankungen im Endstadium besteht seit den frühen 1980er Jahren die Möglichkeit einer Lungentransplantation. Sie hat sich durch Forschung im Bereich der Organkonservierung, Immunsuppression, Überbrückungsverfahren bis zur Transplantation und Nachsorge zu einer etablierten Therapie in großen Zentren entwickelt. Dieser Artikel gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der klinischen Lungentransplantation.
Methode
Es wurde eine selektive Literaturrecherche in PubMed (1960–2024) durchgeführt. Die Leitlinien für Lungentransplantation der International Society for Heart and Lung Transplantation (ISHLT) wurden berücksichtigt.
Epidemiologie
Für die Gesamtzahl von Patientinnen und Patienten in Deutschland, die an einer terminalen Lungenerkrankung leiden, kann die Lungentransplantation nicht bedarfsdeckend angeboten werden. Die Transplantationszentren müssen entsprechend der im Transplantationsgesetz vorgeschriebenen Kriterien der Dringlichkeit und Erfolgsaussicht eine Auswahl unter den zugewiesenen Kandidatinnen und Kandidaten treffen.
Im Jahr 2023 sind in Deutschland 20 % der Patientinnen und Patienten auf der Warteliste zur Lungentransplantation entweder gestorben oder abgemeldet worden (1). Dies geschieht, wenn der Allgemeinzustand der betreffenden Person so schlecht ist, dass eine erfolgreiche Transplantation unwahrscheinlich wird, zum Beispiel bei Multiorganversagen. In Deutschland ist die Summe der Neuanmeldungen auf der Warteliste zur Lungentransplantation höher als die der jährlich durchgeführten Eingriffe (Grafik 1). Dies beruht nicht zuletzt auch auf unserer Gesetzeslage. In Deutschland gilt die Entscheidungslösung, das heißt, eine Person zählt als Organspender, wenn sie der Spende zu Lebzeiten zugestimmt hat, ansonsten entscheiden die Angehörigen. Die Zahl der Organspender pro 1 Million Einwohner in europäischen Nachbarländern, in denen die so genannte Widerspruchslösung gilt, wie zum Beispiel in Österreich, ist vergleichsweise höher und die Wartezeiten entsprechend kürzer. Bei der Widerspruchslösung zählt jede Person als Organspender, außer sie hat zu Lebzeiten widersprochen.

Grafik 1
Lungentransplantation in Deutschland 2023 (Anzahl inkl. Kombinationen)
Im AbbildungsverzeichnisAuswahl der Kandidatinnen/Kandidaten
Die Kandidatenauswahl stellt eine der größten Herausforderungen in der Transplantationsmedizin dar, da sie einen erheblichen Einfluss auf den Ausgang der Transplantation hat. Nach den Richtlinien zur Lungentransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nrn. 2 und 5 Transplantationsgesetz, kann eine Organtransplantation medizinisch indiziert sein, wenn Erkrankungen nicht rückbildungsfähig fortschreiten oder durch einen genetischen Defekt bedingt sind und das Leben gefährden oder die Lebensqualität hochgradig einschränken und durch die Transplantation erfolgreich behandelt werden können (2).
Zur Festlegung des optimalen Transplantationszeitpunkts empfiehlt eine Expertengruppe der International Society for Heart and Lung Transplantation (ISHLT) das Risiko, ohne und mit Transplantation zu sterben, vorherzubestimmen. Hiernach sollte eine Lungentransplantation in Betracht gezogen werden, wenn ein hohes Risiko (> 50 %) vorhanden ist, innerhalb der kommenden 2 Jahre an der Lungenerkrankung zu sterben und gleichzeitig eine hohe Wahrscheinlichkeit (> 80 %) für ein 5-Jahres-Überleben nach Transplantation besteht (3). Wichtig ist die rechtzeitige Vorstellung der Patientinnen und Patienten im Transplantationszentrum (Tabelle 1).

Tabelle 1
Indikationen und Kontraindikationen zur Lungentransplantation (28)
Im AbbildungsverzeichnisVor einer Transplantation sind umfangreiche Evaluationsuntersuchungen durchzuführen. Neben dem apparativen Teil, der dem Nachweis von somatischen Begleiterkrankungen dient, spielt die Beurteilung von psychologischen beziehungsweise psychiatrischen und sozialen Faktoren eine wesentliche Rolle (Tabelle 1).
Kontraindikationen
Rauchen stellt eine der Kontraindikation für die Lungentransplantation dar. Sowohl der schädliche Substanzgebrauch als auch das Abhängigkeitssyndrom gefährden den Langzeiterfolg. Die Rauchabstinenz inklusive der Abstinenz von Nikotinersatzprodukten und E-Zigaretten für mindestens 6 Monate muss laborchemisch (Cotinin-Test) dokumentiert sein. Von Psychologinnen/Psychologen überwachte Raucherentwöhnungsprogramme sind etabliert. Rückfälle nach einer Lungentransplantation sind die absolute Ausnahme. Weitere Kontraindikationen sind unter anderem
bösartige Erkrankungen ohne ausreichendes rezidivfreies Intervall
Lungenversagen mit invasiver Beatmung oder extrakorporalem Lungenersatz ohne vorherige Aufnahme auf die Warteliste
Besiedelung mit bestimmten therapieresistenten Krankheitserregern (zum Beispiel Mycobacterium abscessus, Burkholderia cenocepacia).
Altersgrenzen haben sich als Kontraindikation nicht bewährt. Es wird zunehmend auf das individuelle biologische Alter, also den körperlichen Alterszustand, geachtet. Dies führt dazu, dass einzelne Patientinnen und Patienten nach Vollendung des 65. Lebensjahr als geeignete Kandidatinnen/Kandidaten bewertet werden.
Indikationen
Die häufigsten Indikationsgruppen sind die chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD), inklusive dem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, verschiedene Formen der interstitiellen Lungenerkrankungen und die Mukoviszidose (Tabelle 1). Wobei durch neue medikamentöse Therapieoptionen bei Mukoviszidose kaum mehr die Notwendigkeit zur Transplantation besteht (4). Auch bei pulmonal-arterieller Hypertonie gibt es nun mit Sotatercept ein wirksames Medikament, das die Transplantation hinauszögern kann (5). Weitere Indikationen zur Lungentransplantation sind Bronchiektasen und in sehr ausgewählten Fällen das akute Lungenversagen, zum Beispiel bei COVID-19 (6, 7) (Tabelle 1).
Nach abgeschlossener Evaluation erfolgt die Aufnahme auf die Warteliste durch den Beschluss der interdisziplinären Transplantationskonferenz. Ziel ist es, neben dem individuellen Nutzen der Transplantation eine erfolgsorientierte Allokation zu gewährleisten. Dieses Konzept wird auch in dem seit 2011 gültigen Allokationsverfahren, dem sogenannten Lungenallokationsscore (LAS, „lung allocation score“), der neben der Dringlichkeit auch die Erfolgsaussicht berücksichtigt, angewendet. Der LAS wird auf der Grundlage der aktuellen medizinischen Daten sowie der zugrundeliegenden Art der Lungenerkrankung berechnet. Alter, Größe und Gewicht sowie die primäre Erkrankung werden ebenso miteinbezogen wie der Schweregrad der Lungenfunktionsstörung und die Fähigkeit, Tätigkeiten des täglichen Lebens auszuführen. All diese Informationen bestimmen individuell die Dringlichkeit einer Lungentransplantation und die Erfolgsaussichten danach. Durch die Einführung des LAS konnte die Mortalität der Patientinnen und Patienten auf der Warteliste reduziert werden (8).
Die Organzuteilung wird koordiniert durch die Stiftung Eurotransplant mit Sitz in Leiden und basiert auf dem LAS, der Blutgruppe, Körpergröße und regionalen Gegebenheiten.
Spenderauswahl, Spenderkriterien und Explantation
Um die Eignung von Spenderorganen zu beurteilen, werden verschiedene Qualitätskriterien geprüft wie Alter und Vorerkrankungen des Spenders, Todesursache und Organfunktion. Auch die Größenkompatibilität von Spender und Empfänger werden bewertet. Da ein Größenunterschied mit einem ungünstigem Ergebnis assoziiert ist, müssen auch zur differenzierten Abstimmung neben der Körpergröße die zugrundeliegende Lungenerkrankung, die entweder mit einer Schrumpfung (Lungenfibrose) oder Ausdehnung des Thorax (Lungenemphysem) assoziiert sein kann, berücksichtigt werden.
Aufgrund des Organmangels und wegen der zunehmenden Erfahrung der großen Transplantationszentren haben sich auch die Akzeptanzkriterien von Spenderlungen erweitert, ohne dadurch das Langzeitergebnis nach Transplantation negativ zu beeinflussen (9).
Die Organspende nach Kreislaufstillstand (DCD, „donor after circulatory death“) hat sich mittlerweile in vielen Ländern für die Lungenspende etabliert, da sie gleichwertige Ergebnisse nach einer Lungentransplantation gezeigt hat (10). In Deutschland kann das Verfahren derzeit nicht eingesetzt werden, da gesetzlich der Hirntod die Voraussetzung für die Organspende ist.
Die Lungenentnahme erfolgt im Rahmen der Multiorganentnahme im Spenderkrankenhaus durch das Herz-Thorax-Team des Empfängerzentrums. Nach medianer Sternotomie werden Perikard und Pleura eröffnet und die thorakalen Organe direkt inspiziert. In der Zusammenschau der Befunde mit Bildgebung und Blutgasanalyse werden die Lungen dann zur Transplantation akzeptiert oder abgelehnt. Die Lunge wird mit einer dextranhaltigen Präservationslösung perfundiert, entnommen und auf Eis gepackt in das Empfängerzentrum transportiert. Tolerable Ischämiezeiten sind circa 8–12 Stunden (11).
Implantationstechniken
Eine unilaterale Lungentransplantation ist grundsätzlich bei COPD oder Lungenfibrose möglich, solange keine höhergradige pulmonale Hypertonie vorliegt. Letztere und die Besiedelung der Lungen mit Krankheitserregern (zum Beispiel bei Bronchiektasen) erfordern die Transplantation beider Lungen. Die bilaterale Lungentransplantation ist mit einem besseren Langzeitergebnis verbunden. Unilaterale Lungentransplantationen werden daher hauptsächlich bei Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem Alter, Voroperation und Begleiterkrankungen (koronare Herzkrankheit [KHK]) durchgeführt, da das operative Trauma geringer und die Rekonvaleszenz in der Regel schneller ist.
Die bilaterale Lungentransplantation erfolgt entweder über zwei anterolaterale Thorakotomien oder die transsternale quere Thorakotomie („Clamshell-Zugang“). Die Doppellungentransplantation wird sequenziell durchgeführt, das heißt erst die eine Seite, dann die andere. Nach der Resektion der erkrankten Lunge erfolgt die Implantation der Spenderlunge mit drei Anastomosen: Bronchus, linker Vorhof (Pulmonalvenen) und Pulmonalarterie. Der perioperative Einsatz der „extracorporeal life support“ (ECLS) bietet die Möglichkeit einer 100-prozentigen hämodynamischen und pulmonalen Stabilität während des Eingriffs. Die ECLS saugt Blut vom rechten Vorhof ab und gibt es oxygeniert in die Aorta zurück.
Bei Kindern besteht die Möglichkeit der Lungenlebendspende, bei der jeweils ein Unterlappen von zwei Verwandten implantiert wird (12). Dieser hochkomplexe Eingriff wird jedoch nur an sehr wenigen Zentren weltweit (hauptsächlich in Japan) angeboten. Die Lebendspende hat immunologische Vorteile, wenn sie zwischen Verwandten durchgeführt wird. Außerdem entfallen die negativen Auswirkungen des Hirntodes auf das Spenderorgan (Inflammation), und die Ischämiezeiten des Spenderorgans sind meist kurz, da Spender und Empfänger im gleichen Krankenhaus sind. Daher hat die Lungentransplantation bei Lebendspende in Japan ein sehr gutes Ergebnis (5-Jahres-Überleben 74,1 % [12]). Alternativ besteht bei Kindern in Einzelfällen die Möglichkeit, ein größeres Organ zu akzeptieren und eine atypische oder anatomische Resektion von Lappen durchzuführen, um die Wartezeit auf ein passendes Organ zu reduzieren. Das 5-Jahres-Überleben in Europa beträgt nach pädiatrischer Lungentransplantation 52 % (13). Nach dieser Zeit müssen die Kinder im Schnitt retransplantiert werden.
Die kombinierte Herz-Lungen-Transplantation, die früher häufig bei pulmonaler Hypertonie durchgeführt wurde, ist heute nur noch bei komplexen nicht einfach korrigierbaren Herzfehlern mit Eisenmenger-Reaktion indiziert, zum Beispiel bei Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt (VSD) und multifokaler Lungendurchblutung (14). Bei der Eisenmenger-Reaktion handelt es sich um Lungengefäßveränderungen, die zu pulmonaler Hypertonie führen und in der Folge zu einer Shunt-Umkehr auf rechts-links. Sie ist eine Langzeitfolge eines unbehandelten Links-rechts-Shunts. Bei idiopathischer pulmonaler Hypertonie wird heute nur eine Doppellungentransplantation durchgeführt, da das rechte Herz über ein hohes Regenerationspotenzial verfügt und dilatierte rechte Herzhöhlen sich zurückbilden können.
Die genannten Eingriffe dauern zwischen drei und zehn Stunden, abhängig davon,
ob es eine Einzel- oder Doppellungen-/Herz-Lungen-Transplantation ist
ob die OP mit oder ohne Einsatz der ECLS/ECMO erfolgt
ob der Empfänger voroperiert ist und Verwachsungen bestehen oder nicht.
Bridging-Verfahren
Bei Patientinnen und Patienten mit schwerem respiratorischem Versagen kann präoperativ die veno-venöse extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) indiziert sein, um eine Hypoxie und/oder Hyperkapnie behandeln zu können. Idealerweise wird diese als „Wach-ECMO“ eingesetzt, damit negative Folgen einer invasiven Beatmung und Analgosedierung vermieden werden, und die Patientinnen und Patienten physiotherapeutische Maßnahmen erhalten können. Letztere dienen dazu, die gesundheitliche Verfassung der Patientinnen und Patienten vor der Transplantation zu verbessern.
Eine veno-venöse ECMO kann unter Umständen monatelang ohne Komplikationen verlaufen, während die veno-arterielle ECMO häufig schon nach zwei Wochen komplikationsträchtig ist (Blutungen, Thrombembolien).
Bei pulmonalarterieller Hypertonie kommt zur Vermeidung des Rechtsherzversagens eine veno-arterielle ECLS infrage, zum Beispiel über eine Leistenkanülierung.
Postoperative Intensivmedizin
Das größte postoperative Problem ist die primäre Graft-Dysfunktion (PGD). Diese wird häufig durch ein Reperfusionsödem verursacht und mit negativer Flüssigkeitsbilanz, Stickstoffmonoxid(NO)-Inhalation und Beatmungsmaßnahmen behandelt. Der proaktive Einsatz der intra- und postoperativen ECMO erlaubt durch die Regulation des Blutflusses eine schonende Anpassung des transplantierten Grafts an die neuen Verhältnisse. 75 % der Patientinnen und Patienten haben eine Krankenhausaufenthaltsdauer von bis zu 25 Tagen (15).
Nachsorge
Die immunsuppressive Therapie nach einer Lungentransplantation besteht aus einem Calcineurin-Inhibitor, einem Purin-Synthese-Antagonisten und Prednisolon. Diese Kombination soll akute und chronische zelluläre und humorale Reaktionen gegen das transplantierte Graft verhindern. Bei den Calcineurin-Inhibitoren hat sich Tacrolimus dem Cyclosporin hinsichtlich des Auftretens von chronischer Abstoßung deutlich überlegen gezeigt: In einer randomisierten kontrollierten Studie mit 249 Patientinnen und Patienten entwickelten 39 % in der Cyclosporin-Gruppe, aber nur 13 % in der Tacrolimus-Gruppe 3 Jahre nach einer Lungentransplantation eine chronische Graft-Dysfunktion (16). Eine Überlegenheit eines der zur Verfügung stehenden Kombinationspartner konnte bislang nicht gezeigt werden. Mykophenolatmofetil ist hier das am häufigsten eingesetzte Medikament, gefolgt von Azathioprin und einem der zur Verfügung stehenden mTOR-Inhibitoren (zum Beispiel Everolimus) (17). Bei besonders immunkompetenten Patientinnen und Patienten (Kinder und Jugendliche) oder sensibilisierten Personen (HLA-Antikörper) wird eine Induktionstherapie (zum Beispiel mit Anti-Thymozyten-Globulin, Basiliximab oder Alemtuzumab) durchgeführt. Diese bietet einen besseren Schutz vor Abstoßung, aber ein etwas höheres Risiko für Infektionen als Todesursache (30 % bei Alemtuzumab versus 22 % wenn keine Induktionstherapie durchgeführt wird) (18).
Die Calcineurin-Inhibitoren werden nach Kontrolle des Talspiegels gesteuert. Eine orientierende Anfangsdosis (wenn auch individuell extrem variabel) ist 0,1 mg/kg Körpergewicht/Tag. Die Zielspiegel sind insgesamt höher als bei anderen soliden Organtransplantationen (Zielspiegel im 1. Jahr: 10–15 ng/mL), da die Lunge als besonders immunkompetentes Organ gilt. Die intensivere Immunsuppression ist dementsprechend mit einer vermehrten Rate an unerwünschten Wirkungen und Langzeitfolgen verbunden. Das erhöhte Risiko opportunistischer Infektionserkrankungen und protrahierter Verläufe bei einer Infektion mit pathogenen Erregern ist häufig mit früher Morbidität und Mortalität assoziiert. Zur Infektionsprophylaxe dienen konsequente aktive Immunisierungen vor und nach Transplantation sowie Hygienemaßnahmen und universelle antimikrobielle Prophylaxen gegen Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie, Zytomegalievirus- (CMV) und Pilzinfektionen.
Eine Langzeitfolge, und mittlerweile neben der chronischen Abstoßung die häufigste Todesursache, ist das Auftreten von Tumorerkrankungen (Lymphome, Hauttumore), die sich auch im Kontext der Transplantation schlecht behandeln lassen. Weitere Nebenwirkungen wie das erhöhte Risiko für thromboembolische Ereignisse, arterielle Hypertonie, Hypercholesterinämie oder Polyneuropathie verdeutlichen den interdisziplinären Behandlungsanspruch dieses Patientenkollektivs.
Neben dem Monitoring der immunsuppressiven Therapie kommt der Überwachung der Graftfunktion eine zentrale Rolle zu. Nach einer Lungentransplantation werden engmaschige Lungenfunktionsanalysen, Bildgebungen (vorrangig Computertomografien) und Zell- beziehungsweise Gewebeanalysen aus der Lunge im Rahmen einer Bronchoskopie durchgeführt. Die spirometrische Bestimmung der Einsekundenkapazität spielt eine zentrale Rolle. Durch den zusätzlichen Einsatz der Bodyplethysmografie können auch restriktive oder komplexe Ventilationsstörungen früh und sicher diagnostiziert werden (Grafik 2). Um auch klinisch okkulte zelluläre und humorale Abstoßungsreaktionen zu erkennen, haben sich strukturierte Kontrollbronchoskopien (sogenannte Surveillance-Bronchoskopien) etabliert, die in bis zu 20 % der Fälle eine klinische Entscheidung zur Folge haben (19). Neben dem Monitoring der Organfunktionen sollten in der Nachsorge auch extrapulmonale Aspekte strukturiert berücksichtigt werden (Kasten).

Grafik 2
Lungenfunktion nach -transplantation
Im Abbildungsverzeichnis
Kasten
Elemente der multimodalen Nachsorge nach Lungentransplantation* (nach SOP LMU Klinikum)
Im AbbildungsverzeichnisLangzeitergebnisse und Lebensqualität
Das Überleben nach einer Lungentransplantation ist durch die Bundesqualitätssicherung für bis zu drei Jahre nach einer Transplantation in Deutschland gut untersucht (20). Im Jahr 2019 lag das 3-Jahres-Überleben bei 73 %; in den beiden größten deutschen Lungentransplantationszentren (Medizinische Hochschule Hannover und Ludwig-Maximilians-Universität München) liegt das 1-Jahres-Überleben bei 92 % (MHH) beziehungsweise 91 % (LMU) und das 5-Jahres-Überleben bei 72 % (MHH) beziehungsweise 73 % (LMU). Daten aus dem ISHLT-Register zeigen ein medianes Überleben nach Lungentransplantation altersabhängig zwischen 4,8 (bei über 60-Jährigen) und 7 Jahren (21). Haupttodesursachen nach einer Lungentransplantation in absteigender Reihenfolge sind das chronische Transplantatversagen, Infektionen, Malignome und kardiovaskuläre Erkrankungen. Das chronische Transplantatversagen (CLAD, „chronic lung allograft dysfunction“) ist durch eine zunehmende, meist obstruktive Ventilationsstörung mit progressivem Abfall der Einsekundenkapazität (FEV1) und späterem Atemversagen gekennzeichnet (Grafik 2). Zusätzlich sind Komorbiditäten (Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus und Osteoporose) vor allen Dingen im Langzeitverlauf sehr häufig (Tabelle 2).

Tabelle 2
Kumulative Häufigkeiten von Morbiditäten nach Lungentransplantation beim Erwachsen, nach ISHLT (29)
Im AbbildungsverzeichnisDie Lebensqualität nach einer Lungentransplantation bessert sich bei der überwiegenden Zahl der Patientinnen und Patienten deutlich. Prospektiv erfasste Daten aus Patientenbefragungen in einzelnen Zentren aus den USA (22) und Kanada (23) beschreiben im Mittel ein Niveau der Lebensqualität vergleichbar mit den jeweiligen nationalen Referenzdatensatz bis zu fünf Jahre nach Transplantation. Danach schränken vor allem Begleiterkrankungen die Lebensqualität. Circa 40 % der Lungentransplantierten sind berufstätig, bei jüngeren Transplantierten (im Mittel 29 Jahre) aus der Schweiz mit Mukoviszidose betrug der Anteil ab 1 Jahr nach Transplantation zwischen 64 und 75 % (24).
Ausblick
Künftige Entwicklungen zielen darauf, die Kandidatenauswahl zu verbessern und dabei neuere Erkenntnisse wie zugrundeliegende genetische Veränderungen und anthropometrische Gegebenheiten zu berücksichtigen. Um die Mortalität während der Wartezeit zu verringern, ist neben der besseren Risikostratifizierung das mittelfristige Ziel, den Spenderpool durch Akzeptanz marginaler Organe zu erweitern.
Herausfordernd ist zudem der individualisierte Einsatz der Immunsuppression. Sie wirkt sich auf die Haupttodesursachen aus, die mit einem Zuwenig und Zuviel an immunsuppressiver Therapie vergesellschaftet sind. Eine erhöhte Immunsuppression kann die chronische Abstoßung nur bedingt verhindern. Ziel ist es, ein möglichst niedriges Niveau zum Erhalt der Graftfunktion zu erzielen, um die Last an Nebenwirkungen und Langzeitfolgen gering zu halten. Zur Steuerung der immunsuppressiven Therapie eignet sich die Bestimmung von Torque-Teno-Virus (TTV) im peripheren Blut. Das nichtpathogene Virus kommt bei allen immunkomprimierten Patientinnen und Patienten vor, und die Viruslast dient als Marker für den Grad der Immunsuppression (25).
Auch neue Methoden zum Monitoring der Graftfunktion mittels Messung zellfreier Spender-DNA (dd cfDNA, „donor derived cell free DNA“) im Serum sind aussichtsreiche Tools um eine Graftdysfunktion zu detektieren (26).
Langfristig ist der Einsatz von alternativen Lungenersatzverfahren eines der großen Ziele. Hier werden sowohl die Xenotransplantation (27) als auch das Bioengineering von funktionalen, transplantierbaren Organen vorangetrieben.
Interessenkonflikt
JG ist Mitglied im DSMB der ScanCLAD-Studie.
Die übrigen Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 21.03.2024, revidierte Fassung angenommen: 28.10.2024
Anschrift des korrespondierenden Verfassers
Prof. Dr. med. Sebastian Michel
Herzchirurgische Klinik, LMU Klinikum
Marchioninistrasse 15, 81377 München
Sebastian.Michel@med.uni-muenchen.de
Zitierweise
Michel S, Schneider C, Ius F, Welte T, Gottlieb J, Kneidinger N: Lung transplantation—indications, follow-up care and long-term results. Dtsch Arztebl Int 2025; 122: 43–8. DOI: 10.3238/arztebl.m2024.0232