Chronische Wunden sind ein interdisziplinär relevantes Problem, das die Lebensqualität der Betroffenen unter anderem durch die Schmerzen, den oft störenden Geruch und die eingeschränkte Mobilität erheblich reduziert (1). Hieraus resultieren weitere Probleme wie soziale Isolation, Schlafstörungen und Depressionen (2). Die Prävalenz chronischer Wunden liegt in Deutschland bei etwa 1–2 % (3). Die häufigsten Manifestationen sind das diabetische Fußulkus, Dekubitus und Ulcus cruris (4).

Als Ulkus wird eine Hautwunde bezeichnet, die mindestens bis in die Dermis reicht. Durch „cruris“ wird die anatomische Lokalisation an den Unterschenkeln beschrieben. Somit bezeichnet der Begriff Ulcus cruris lediglich ein Symptom und keine Diagnose. Etwa 80 % der Betroffenen mit chronischem Ulcus cruris haben eine chronische venöse Insuffizienz (CVI) und/oder eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK). Insbesondere bei therapierefraktären oder atypischen Verläufen ist die Kenntnis der Differenzialdiagnosen für eine adäquate Behandlung wichtig (Kasten, eKasten) (5). Daher werden im Folgenden die häufigsten Ursachen eines Ulcus cruris und die entsprechende Diagnostik vorgestellt.

Auswahl potenziell relevanter Faktoren und Krankheitsbilder, die ein Ulcus cruris verursachen können

Kasten

Auswahl potenziell relevanter Faktoren und Krankheitsbilder, die ein Ulcus cruris verursachen können

Im Abbildungsverzeichnis
Erweiterte Auswahl der potenziell relevanten Faktoren und Krankheitsbilder, die ein Ulcus cruris verursachen können

eKasten

Erweiterte Auswahl der potenziell relevanten Faktoren und Krankheitsbilder, die ein Ulcus cruris verursachen können

Im Abbildungsverzeichnis

Ulcus cruris venosum

Etwa 0,2 % der deutschen Bevölkerung hat ein florides Ulcus cruris venosum (UCV) (6). Die Prävalenz steigt nach dem 65. Lebensjahr auf etwa 3,6 % (7). Risikofaktoren sind unter anderem zunehmendes Lebensalter, weibliches Geschlecht, erhöhter Body-Mass-Index, arterielle Hypertonie und venöse Thrombosen (7). Die Rezidivrate liegt bei etwa 70 % innerhalb von fünf Jahren (8). Venenerkrankungen werden mittels CEAP-Klassifikation eingeteilt (9) (Tabelle 1, eTabelle):

Darstellung der klinischen Befunde (C, „clinic“) der CEAP-Einteilung der Venenerkrankungen

Tabelle 1

Darstellung der klinischen Befunde (C, „clinic“) der CEAP-Einteilung der Venenerkrankungen

Im Abbildungsverzeichnis
CEAP-Einteilung der Venenerkrankungen

eTabelle

CEAP-Einteilung der Venenerkrankungen

Im Abbildungsverzeichnis
  • C – „clinic“ klinischer Befund

  • E – „etiology“ Ätiologie

  • A – „anatomy“ anatomische Lokalisation

  • P – „pathophysiology“ Pathophysiologie.

Kausal für eine CVI sind venöse Abstromstörungen infolge insuffizienter Venenklappen. Durch den hämodynamisch relevanten Reflux kommt es zu einer ambulatorischen venösen Hypertension und Hypervolämie mit verminderter Perfusion und Fließgeschwindigkeit in den Kapillaren. Aktivierte Leukozyten verursachen eine Inflammation in den Venenwänden und dem umgebenden Gewebe. Es entstehen zudem perikapilläre Fibrinmanschetten, die eine lokale Hypoxie verstärken (8). Die schwerste der resultierenden trophischen Störungen am Hautorgan ist das UCV. Zunehmend werden auch funktionelle Venenerkrankungen wie das Adipositas-assoziierte Dependency-Syndrom beschrieben (10). Hier kann es durch langes Sitzen und Druck auf das Beinvenensystem durch Fettschürzen zu einem UCV ohne Nachweis von persistierenden Klappeninsuffizienzen oder Obstruktionen kommen (11).

Die Prädilektionsstellen liegen oberhalb oder hinter dem Malleolus medialis (Abbildung a). Die Schmerzsymptomatik ist sehr unterschiedlich ausgeprägt.

Abbildung

Abbildung

Im Abbildungsverzeichnis

In der ödematösen Umgebung des UCV finden sich meist typische Hautveränderungen (eAbbildung 1). Die Corona phlebectatica paraplantaris manifestiert sich unterhalb der Malleolen. Als Purpura jaune d’ocre wird die initial rote, später gelb-braune Hyperpigmentierung durch Hämosiderin-Ablagerungen bezeichnet. Durch die Stauungsdermatitis kommt es zu unscharf begrenzten, juckenden Ekzemen der Unterschenkel. Die Hypodermitis („Pseudoerysipel“) beschreibt flächigen Erythemen, die oft beidseitig an den Unterschenkeln bestehen (12). Dermatoliposklerose entsteht durch die chronische Inflammation der Dermis und Subcutis. Die typische aber nicht spezifische Atrophie blanche resultiert als Vaskulopathie in fortgeschrittenen CVI-Stadien.

eAbbildung 1

eAbbildung 1

Im Abbildungsverzeichnis

Der Goldstandard der Venendiagnostik ist die farbkodierte Duplexsonografie (FKDS) bei der sowohl die Morphologie als auch die Hämodynamik der Gefäße dargestellt werden. Die Venenklappenfunktionen werden mittels Valsalva-Pressversuch überprüft (13).

Ulcus cruris arteriosum

Eine PAVK verursacht die Einschränkung der Durchblutung der die Extremitäten versorgenden Arterien und seltener der Aorta. Dies kann graduell durch Stenosen oder komplett durch Okklusion bedingt sein. Risikofaktoren sind alle Aspekte, die eine Atherosklerose begünstigen. Dazu gehören insbesondere Rauchen, Fettstoffwechselstörungen und das metabolische Syndrom. Die Gesamtprävalenz liegt bei 3–10 % und steigt ab dem 70. Lebensjahr auf 15–20 % (14). Die Einteilung der PAVK erfolgt nach Fontaine (Tabelle 2). Im fortgeschrittenen Stadium kommt es zu einer Minderdurchblutung und Nekrosebildung an den Akren. Es kann in der Folge aber auch ein Ulcus cruris arteriosum auftreten. Auslösende Faktoren sind oft Traumata im Bereich der Tibiakante, Druck über dem Außenknöchel oder Exkoriationen. Das Ulkus wird am Unterschenkel meist nicht primär durch die PAVK verursacht, diese verhindert aber die Heilung (14).

Einteilung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit nach Fontaine

Tabelle 2

Einteilung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit nach Fontaine

Im Abbildungsverzeichnis

Die Prädilektionsstellen sind die druckbelasteten Unterschenkelareale (Abbildung b). Klinisch typisch ist der Beginn mit Nekrosen in meist kühler, trockener Haut.

Tastbare Fußpulse schließen eine PAVK nicht aus. Der Goldstandard der Arterien-Basisdiagnostik ist der Ankle-Brachial-Index (ABI). Dafür liegt die Patientin oder der Patient etwa 10 Minuten auf der Behandlungsliege bis der systolische Blutdruck der Arteria brachialis, Arteria tibialis posterior und Arteria tibialis anterior mittels Dopplersonde gemessen wird. Berechnet wird der niedrigste Knöchelarteriendruck geteilt durch den mittleren Armarteriendruck. Der Grenzwert für die PAVK-Diagnose liegt bei < 0,9 (15). Eine PAVK mit einem Knöchelarteriendruck ≥ 70 mm Hg bei normwertigem Systemdruck gilt als kompensiert; ein Knöchelarteriendruck < 70 mm Hg hingegen verzögert die Wundheilung (16). Weiterführende Untersuchungen sind Zehendruckmessung, Oszillografie, transkutane Sauerstoffmessung oder farbkodierte Duplexsonografie (17). Die konkrete Verschlusssituation sollte mittels digitaler Subtraktionsangiografie, Computertomografie(CT)- oder Magnetresonanztomografie(MRT)-Angiografie dargestellt werden (14).

Kutane Vaskulitiden

Vaskulitiden sind eine heterogene Gruppe inflammatorischer Erkrankungen, die grundsätzlich jedes Körpergefäß betreffen können. Durch autoimmunologische Prozesse kommt es zur Inflammation der Gefäßwänd mit reaktiven Stenosen und Okklusionen. Die Klassifikation der Chapel-Hill-Konsensuskonferenz orientiert sich wesentlich an den betroffenen Gefäßtypen und -kalibern (18).

Schmerzhafte Nekrosen und Ulzera mit lividem Randsaum entwickeln sich am häufigsten bei einer kutanen leukozytoklastischen Angiitis, deren klinisches Leitsymptom die palpable Purpura ist. Sie entsteht durch Ablagerungen zirkulierender Immunkomplexe in kleinen Gefäßen. Es treten circa 15 Neuerkrankungen/Jahr/Million Einwohner auf (19).

Die Prädilektionsstellen der kutanen leukozytoklastischen Angiitis sind die distalen unteren Extremitäten (Abbildung c). Wenn Ulzerationen auftreten, sind diese meist disseminiert beidseitig lokalisiert.

Der Goldstandard der Diagnostik ist die histopathologische Untersuchung einer Biopsie. Potenzielle Trigger können Infektionskrankheiten, Arzneimittel oder Neoplasien sein, die im Rahmen der Diagnostik durch gezielte Anamnese, serologische und gegebenenfalls apparative Diagnostik abgeklärt werden sollten (20).

Kutane Vaskulopathien

Kutane Vaskulopathien sind okkludierende, primär nicht-inflammatorische Gefäßerkrankungen. Sie treten im Rahmen zahlreicher hämatologischer oder dermatologischer Krankheitsbilder auf (20). Auslöser können auch Medikamente wie Hydroxyurea sein. Nach einer durchschnittlichen Einnahmedauer von 2–5 Jahren kommt es hierbei zu einer kumulativen Gefäßschädigung mit lividen Erythemen und sehr schmerzhaften Ulzera an den distalen unteren Extremitäten (21).

Bei der Livedo-Vaskulopathie entstehen thrombembolische Verschlüsse des kutanen Gefäßplexus. Die Prävalenz liegt bei etwa 1/100 000 Einwohnern; Frauen sind deutlich häufiger als Männer betroffen. Lokale Triggerfaktoren sind Traumata und andere Mechanismen, die eine Verlangsamung der Zirkulation verursachen. Oft sind junge Erwachsene ohne familiäre Prädisposition rezidivierend betroffen. Die nichtspezifischen Kardinalsymtome sind schmerzhafte Ulzera, Livedo racemosa (eAbbildung 2) und Atrophie blanche (22).

Livedo racemosa

eAbbildung 2

Livedo racemosa

Im Abbildungsverzeichnis

Die Prädilektionsstellen der Livedo-Vaskulopathie sind die distalen unteren Extremitäten (Abbildung d).

Der Goldstandard der Diagnostik ist die histopathologische Untersuchung einer Biopsie (22).

Kalziphylaxie

Die Kalziphylaxie ist eine urämisch-kalzifizierende Arteriolopathie. Das durchschnittliche Lebensalter bei Erstmanifestation ist circa 60 Jahre; 80 % der Betroffenen sind Frauen (23). Die Erkrankung betrifft meist Patientinnen und Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz; die Prävalenz liegt bei 1–4 % aller Patientinnen und Patienten mit Dialysepflicht. Die Kalziphylaxie resultiert aus einer Störung im Kalzium-Phosphatstoffwechsel. Da Cumarine zu einer Hemmung des Matrix-GLA-Proteins führen und somit die Kalzifizierung fördern, sollten diese Medikamente bei den Betroffenen umgestellt werden. Die Sechsmonatsüberlebensrate beträgt etwa 57 % (23).

Die Prädilektionsstellen sind die unteren Extremitäten. Hier treten livide Erytheme auf, aus denen sich äußerst schmerzhafte Nekrosen und Ulzerationen entwickeln (Abbildung e).

Der Goldstandard der Diagnostik ist die histopathologische Untersuchung einer Biopsie (23).

Pyoderma gangraenosum

Das Pyoderma gangraenosum ist eine ulzerierende, neutrophile Dermatose unklarer Ätiologie. Die Prävalenz liegt bei 0,3–1,0/100 000 Einwohnern. Oft sind Komorbiditäten wie chronische entzündliche Darmerkrankungen, (hämatologische) Neoplasien, Diabetes mellitus oder rheumatoide Arthritis assoziiert (24).

Die Prädilektionsstellen sind bei 70 % der Betroffenen die Streckseiten der unteren Extremitäten (Abbildung f). Das Pathergie-Phänomen beschreibt das Auftreten nach (Minimal-)Trauma. Klinisch charakteristisch sind erythematöse Nodi oder sterile Pusteln aus denen sich rasch sehr schmerzhaften Ulzera mit dunkel-lividem, teils unterminierten Randsaum entwickeln (24).

Der Goldstandard der Diagnostik ist der PARACELSUS-Score, der die unspezifischen, aber typischen Symptome zusammenfasst (Tabelle 3) (25).

PARACELSUS-Score für die Diagnostik des Pyoderma gangraenosums

Tabelle 3

PARACELSUS-Score für die Diagnostik des Pyoderma gangraenosums

Im Abbildungsverzeichnis

Necrobiosis lipoidica

Bei der Necrobiosis lipoidica handelt es sich um eine entzündliche granulomatöse Hauterkrankung. Bei etwa 60 % der Betroffenen besteht eine Assoziation mit Diabetes mellitus. Die Inzidenz liegt bei Menschen mit Diabetes bei 0,3–1,2 %. Pathophysiologisch wird eine T-Zell-vermittelte Immunreaktion mit Freisetzung proinflammatorischer Zytokine und lysosomaler Enzyme diskutiert, die zu einer Inflammation und lokaler Gewebsdestruktion mit dermaler Ansammlung von Lipiden führt (26).

Die Prädilektionsstellen sind die Streckseiten der unteren Extremitäten. Klinisch entwickeln sich gelblich-braune Plaques mit erythematösem Randsaum, die von zahlreichen Teleangiektasien durchzogen werden (Abbildung g). Durch fortschreitende Atrophie können sehr schmerzhafte Ulzera entstehen (26).

Der Goldstandard der Diagnostik ist die histopathologische Untersuchung einer Biopsie. Im Verlauf sollte bei initial unauffälligem Ergebnis wiederholt abgeklärt werden, ob ein Diabetes mellitus vorliegt.

Kutane Infektionskrankheiten

Es gibt zahlreiche Infektionskrankheiten durch Bakterien, Viren, Pilze oder Protozoen, die ein Ulcus cruris verursachen können. Bei den (sub-)tropischen Infektionskrankheiten sind es gehäuft Mykobakteriosen (beispielsweise Buruli-Ulkus) oder Leishmaniosen (27). Nach dem Schwimmen in offenen Gewässern können sich Hautwunden auch mit Vibrionen oder Corynebacterium diphtheriae infizieren (28).

In Europa wird die häufigste Form der ulzerierenden Pyodermie als Ekthyma bezeichnet. Die Prävalenz wird auf 1,0/100 000 Einwohner geschätzt. Prädisponierende Faktoren sind mangelnde Hygiene, Malnutrition, Diabetes mellitus, Immunsuppression oder Ekzeme (29). Meist sind es β-hämolysierende Streptokokken oder Staphylococcus aureus, die Pusteln verursachen, aus denen sich dann multiple, scharf begrenzte, wenig schmerzhafte Ulzerationen entwicklen, die selten größer als 3–5 cm sind (29).

Die Prädilektionsstellen der Ekthyma sind die unteren Extremitäten (Abbildung h).

Der Goldstandard der Diagnostik ist die klinische Inspektion. Bei begleitender Weichgewebeinfektion sollten die Vitalparameter und serologische Entzündungsmarker bestimmt sowie bakteriologische Abstriche und gegebenenfalls Biopsien entnommen werden.

Kutane Neoplasien

Insbesondere bei therapierefraktären oder klinisch atypischen Verläufen eines Ulcus cruris sollten Neoplasien wie Basalzellkarzinome, maligne Melanome, Metastasen, oder Plattenepithelkarzinome ausgeschlossen werden (30).

Plattenepithelkarzinome können entweder die Ursache eines Ulcus cruris sein, oder sich auch sekundär entwickeln („Marjolin-Ulcus“). Sie verursachen meist wenig schmerzhafte, scharf begrenzte und langsam größenprogrediente Ulzerationen (Abbildung i). Die Analyse des Deutschen Marjolin-Registers zeigte, dass ein UCV durchschnittlich 16 Jahre bestand, bevor das Plattenepithelkarzinom diagnostiziert wurde. Klinische Merkmale waren Schmerzen, Therapieresistenz, Fötor sowie atypische Morphologie mit knotigem Wundbett und Hypergranulation (31).

Es gibt keine Prädilektionsstellen der Plattenepithelkarzinome an den Unterschenkeln.

Der Goldstandard der Diagnostik ist die histopathologische Untersuchung möglichst mehrerer Biopsien.

Strukturierte Diagnostik

Die Diagnostik des chronischen Ulcus cruris kann entsprechend der ABCDE-Regel strukturiert durchgeführt werden (32).

  • A – Die Anamnese sollte sowohl die aktuelle Wunde aber auch Wunden in der Vergangenheit sowie Kofaktoren, Komorbiditäten und Familienanamnese berücksichtigen.

  • B – Bakterien verursachen selten ein Ulcus cruris. Die Bakteriendiagnostik dient meist dem Nachweis von Superinfektionen und/oder multiresistenten Erregern (MRE) wie Methicillin-resistentem Staphylococcus aureus (MRSA). Beim Ulcus cruris ist die Entnahme eines oberflächlich entnommenen Abstrichs für die Bakteriendiagnostik meist ausreichend. Beispielsweise bei Verdacht auf Mykobakteriosen sollten zusätzlich Biopsien erfolgen (33).

  • C – Klinische Untersuchungen liefern über die Lokalisation der Wunden sowie die Morphologie von Wundrand und -umgebung oft richtungsweisende Hinweise auf die Genese und Komplikationen.

  • D – Für die Diagnostik der Durchblutung sind klinische und apparative Untersuchungen sowohl des venösen als auch des arteriellen Gefäßsystems erforderlich.

  • E – Es gibt viele weiterführende Diagnostikverfahren, die zielgerichtet eingesetzt werden sollten. Blutbild oder Akute-Phase-Proteine werden eher im Rahmen der Diagnostik bakterieller Superinfektion untersucht (34). Die größte klinische Bedeutung hat die Biopsie, die meist aus dem Randbereich der Wunde entnommen wird. Bei Verdacht auf eine atypische Ursache sollte unverzüglich eine Biopsie erfolgen. Bei ausbleibender Befundbesserung trotz adäquat erscheinender Therapie, sollte spätestens nach zwölf Wochen eine Biopsie durchgeführt werden. Zeitpunkt und Vortherapie beeinflussen die Ergebnisse der Biopsie oft erheblich und sollten daher bei der Anforderung entsprechend vermerkt werden. Insbesondere bei Verdacht auf Vaskulitis sollte auch eine direkte Immunfluoreszenzdiagnostik (DIF) durchgeführt werden (35).

Diskussion

Weiterhin gibt es in Deutschland viele ungelöste Probleme bei der Diagnostik und Therapie der Patientinnen und Patienten mit chronischem Ulcus cruris. So werden bei vielen Betroffenen die relevanten Ursachen nicht diagnostiziert und somit die Behandlung auf das Symptom Wunde reduziert (Grafik ). Für eine dauerhaft erfolgreiche Therapie sind aber die Klärung der Ursache(n) und die kausal ansetzende Behandlung essenziell (36).

Vereinfachte Darstellung der Diagnostik bei chronischem Ulcus cruris

Grafik

Vereinfachte Darstellung der Diagnostik bei chronischem Ulcus cruris

Im Abbildungsverzeichnis

Insbesondere bei therapierefraktären oder atypischen klinischen Befunden und Verläufen sollten die ansonsten seltener diagnostizierten Differenzialdiagnosen berücksichtigt werden (5) (Tabelle 4, eKasten). Auf der Basis der korrekten Diagnose kann dann eine kausal ansetzende Therapie erfolgen. Zusätzlich ist meist eine moderne feuchte Wundtherapie sinnvoll (37). Da die meisten Krankheitsbilder mit Ulcus cruris mit Ödemen einhergehen, sollte nach Ausschluss von Kontraindikationen auch eine Kompressionstherapie durchgeführt werden (38). Zudem sind insbesondere bei inflammatorischen und infektiologischen Krankheitsbildern meist noch systemische Therapien erforderlich (39).

Übersicht wichtiger Aspekte bei verschiedenen Ursachen eines Ulcus cruris

Tabelle 4

Übersicht wichtiger Aspekte bei verschiedenen Ursachen eines Ulcus cruris

Im Abbildungsverzeichnis

Um die Versorgungsstrukturen der Betroffenen zu verbessern, sind weltweit bereits zahlreiche Projekte für die Fortbildung der behandelnden Fachpersonen oder telemedizinische Konsultationen gestartet worden. Dennoch gibt es hier weiterhin erhebliche Defizite (40).

Fazit für die Praxis

Es gibt sehr viele verschiedene Krankheitsbilder, die ein Ulcus cruris verursachen können. Daher sollten diese Patientinnen und Patienten möglichst frühzeitig von einem interdisziplinären und interprofessionellen Team diagnostiziert und behandelt werden.

Interessenkonflikt
JD hat Honorare für Vorträge, Beratungen und/oder klinische Studien von folgenden Firmen erhalten: 3M, Aurealis, Biomonde, Coloplast, Convatec, Curea, Flen Pharma. Integra, Juzo, Lohmann&Rauscher, medi, Mölnlycke, Novartis, Piomic, UCB, Urgo.

JMP hat Honorare für Vorträge, Beratungen und/oder klinische Studien von folgenden Firmen erhalten: Bristol-Myers Squibb, Novartis, Sanofi, Pierre Fabre, Therakos.

MM hat Honorare für Vorträge, Beratungen und/oder klinische Studien von folgenden Firmen erhalten: Adtec Heathcare, Mölnlycke, Reheacell, Urgo.

KK hat Honorare für Vorträge, Beratungen und/oder klinische Studien von folgenden Firmen erhalten: BMS, Coloplast, Urgo.

Manuskriptdaten
eingereicht: 02.02.2024, revidierte Fassung angenommen: 17.06.2024

Anschrift des korrespondierenden Verfassers
Prof. Dr. med. Joachim Dissemond

Universitätsklinikum Essen

Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie

Hufelandstraße 55
45122 Essen

joachim.dissemond@uk-essen.de

Zitierweise
Dissemond J, Placke JM, Moelleken M, Kröger K: The differential diagnosis of leg ulcers. Dtsch Arztebl Int 2024; 121: 733–9. DOI: 10.3238/arztebl.m2024.0133