Der Bundestag hat die Krankenhausreform Mitte Oktober nach einer hitzigen Debatte verabschiedet. Nun hängt alles davon ab, ob die Bundesländer dem Gesetz zustimmen wollen. Noch ist es offen, wie die 16 Länder abstimmen werden. Klar ist aber, es wird knapp.

Nach etwa zwei Jahren Beratungen rund um die Krankenhausreform haben die Ampelfraktionen im Bundestag das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) mit 373 Stimmen beschlossen. Dagegen stimmten 285 Abgeordnete, bei einer Enthaltung.

Die hitzige Debatte am 17. Oktober zeigte, um wie viel es geht. Den Ampelfraktionen zufolge wird das KHVVG zu einer besseren Krankenhausversorgung führen. Die Opposition warnte vor weiteren Krankenhausschließungen und unabsehbaren Folgen für den stationären Sektor. Die Bundesländer sind in ihrer Einschätzung zweigeteilt: Einige Länder erkennen deutliche Verbesserungen in der finalen Version des KHVVG im Vergleich zum vorherigen Entwurf an. Dazu gehören Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen. Anderen Ländern, darunter Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Schleswig-Holstein fehlt weiter die Berücksichtigung zentraler Forderungen. Sechs Länder haben bereits erklärt, dass sie den Vermittlungsausschuss im Bundesrat voraussichtlich am 22. November anrufen wollen (Grafik). Da das Gesetz zustimmungsfrei ist, müssen die Länder dem Gesetz nicht zustimmen, können aber den Vermittlungsausschuss anrufen und es somit zunächst blockieren. Dafür werden mindestens 35 Stimmen der insgesamt 69 Länderstimmen im Bundesrat benötigt. Der Vermittlungsausschuss besteht aus 16 Ländervertretern – hauptsächlich den Ministerpräsidenten und -präsidentinnen – sowie 16 Bundestagsabgeordneten. In diesem Ausschuss sollen Änderungen an Gesetzen verhandelt werden, die zwischen Bund und Ländern strittig sind. Sollte es zu einer Einigung im Vermittlungsausschuss kommen, muss über diese im Bundesrat erneut abgestimmt werden.

Wer plant den Vermittlungsausschuss zur Krankenhausreform anzurufen?

Grafik

Wer plant den Vermittlungsausschuss zur Krankenhausreform anzurufen?

Im Abbildungsverzeichnis

Die sechs Länder, die für den Vermittlungsausschuss stimmen wollen, haben gemeinsam 30 Stimmen. Es könnte sein, dass etwa Sachsen (vier Stimmen) ebenfalls dafür stimmen wird. Für eine absolute Mehrheit bräuchte es aber noch ein weiteres Land.

Analyse abwarten

Brandenburg, Bremen, Hessen, Niedersachsen und Sachsen wollen zunächst die Ergebnisse der Auswirkungsanalyse abwarten. Einige Länder kritisieren weiter vor allem eine fehlende Überbrückungsfinanzierung, bis die Krankenhausreform finanzielle Auswirkungen zeigt. Dazu gehören unter anderem Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Thüringen. Für Baden-Württemberg und Bayern fehlen zudem weitere Ausnahmemöglichkeiten bei den Leistungsgruppen, um sinnvolle Kooperationen zu ermöglichen.

Der Protest aus manchen Ländern ist so groß, dass die Gesundheitsministerin aus Bayern, Judith Gerlach (CSU), sowie ihr Amtskollege aus Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann (CDU), in der Debatte im Bundestag sprachen und vor dem Gesetz warnten.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begründete im Bundestag die Notwendigkeit der Reform vor der Abstimmung mit der parallel bestehenden Über-, Unter- und Fehlversorgung im stationären Bereich. Insbesondere in der Geburtshilfe, in der Kinderheilkunde und in der Schlaganfallversorgung gebe es eine Unterversorgung. Teilweise brauche es 50 Minuten, bis eine Person mit Schlaganfall in der richtigen Struktur versorgt werde, kritisierte Lauterbach.

Zu wenig Spezialisierung

Bei der Behandlung von Krebs bestehe hingegen Fehlversorgung. So würden etwa 85 Kliniken in und um Köln Darmkrebs behandeln. Viele seien allerdings nicht spezialisiert, sagte Lauterbach. „Kein Arzt würde sich in einer solchen Klinik selbst behandeln lassen.“ Ziel der Reform sei, dass jeder Standort so gut werde, damit sich auch Ärztinnen und Ärzte dort behandeln ließen.

Weiter sei die Kliniklandschaft in Deutschland auch von einer Überversorgung gekennzeichnet, so Lauterbachs Analyse. So gebe es etwa bei der Versorgung mit Knieprothesen zu viele Kliniken. Die Umstellung weg von den reinen diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) hin zu einer Vorhaltefinanzierung könne das Nebeneinander von Über- , Unter- und Fehlversorgung beseitigen, erklärte der Minister. Die Länder könnten künftig zusätzliche Kapazitäten auf- oder überflüssige abbauen und so dem „Wildwuchs“ etwas entgegensetzen. Deutschland habe ein paar 100 Kliniken zu viel, sagte Lauterbach. Er verdeutlichte in Richtung der Gäste auf der Länderbank: „Wenn wir die Reform nicht beschließen oder die Länder sie im Deutschen Bundesrat blockieren, werden Häuser aus der Versorgung ausscheiden, die gute Qualität anbieten.“

Unterstützung gab es von den Ampelfraktionen. Der SPD-Abgeordnete und Berichterstatter für Krankenhauspolitik, Christos Pantazis, erklärte, die geplanten Leistungsgruppen schafften klare Strukturvorgaben. Damit könne man Leben retten und unnötige medizinische Verfahren vermeiden. Die Krise, die Lauterbach skizziert habe, sei deshalb entstanden, weil Vorgängerregierungen es verpasst hätten, rechtzeitig Reformen durchzuführen, erklärte Armin Grau, Berichterstatter für Krankenhauspolitik bei den Grünen. Die Reform werde deshalb in „größtem Tempo“ nachgeholt.

Grau wehrte sich zudem gegen Vorwürfe aus der Opposition: „Oft wird so getan, als wäre die Reform ein wild gewordener Rasenmäher, der die Kliniklandschaft umpflügt.“ Das Gegenteil sei der Fall. So sei im parlamentarischen Verfahren etwa eine schnellere Auszahlung der Vorhaltebudgets für die Kliniken vereinbart worden. Diese würden fallzahlunabhängig ausgezahlt werden, sofern sich die Patientenzahl nicht um mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr unterscheide. Für sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen werde eine Grundversorgung mit tagesgleichen Pflegesätzen gewährleistet, sagte Grau weiter. Und: Krankenhäuser, die Sicherstellungszuschläge erhalten, dürften künftig dauerhaft von den geplanten Vorgaben der Leistungsgruppen abweichen und erhielten höhere Zuschläge.

Bundesländer in der Pflicht

Schuld an der Misere der Krankenhäuser sind der FDP-Abgeordneten Christine Aschenberg-Dugnus zufolge vor allem die Bundesländer. Dort habe sich ein Investitionsstau von 30 Milliarden Euro aufgetürmt, erklärte sie. „Deswegen stehen wir vor einem unkontrollierten Krankenhaussterben.“ Die Krankenhausreform mache nun Schluss „mit dem Hamsterrad der Fallpauschalen“. Weiter sorge die Krankenhausreform für reduzierte Bürokratie, so Aschenberg-Dugnus. Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, ergänzte, man habe das Gesetz im parlamentarischen Verfahren mit mehr als 50 Änderungsanträgen angepasst. „Wir haben Kritik ernst und gute Anregungen aufgenommen.“ So seien etwa aus der Union gute Vorschläge etwa zum Ausbau hebammengeleiteter Kreißsäle oder der Stärkung von Bundeswehrkrankenhäusern gekommen, sagte Dahmen.

Blindflug, weil Auswirkungsanalyse fehlt

Dies wollte die Union jedoch nicht hören. Sie kritisierte, dass man die Reform „im Blindflug“ beschließe. Hintergrund sei die mangelnde Auswirkungsanalyse. Mit einem Simulationsinstrument sollen die Länder die Auswirkungen der Reform auf ihr Bundesland einsehen und mit der Zuordnung der Leistungsgruppen zu Krankenhausstandorten experimentieren und verschiedene Szenarien ausprobieren können. Auch die Wirkung der geänderten Finanzierung soll eingesehen werden. Den Zugang zu diesem Tool haben die Bundesländer einige Tage nach dem Bundestagsbeschluss erhalten.

Auch der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Laumann kritisierte die Reihenfolge: Zunächst werde das Gesetz beschlossen und dann die Auswirkungsanalyse vorgelegt. „Das wäre so, wie wenn man mit dem Taxi zum Stammtisch und auf dem Rückweg selbst fahren würde“, sagte Laumann. Zudem habe der Bund das Planungsrecht im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens beschnitten und stärkere Qualitätsvorgaben vorgegeben, bemängelte Laumann weiter. Er wolle das Gesetz nicht stoppen, aber er wolle ein Gesetz, in dem Landesplanung und Finanzierung zusammenpassen würden. „Deswegen fände ich es eine gute Sache, wenn wir im Vermittlungsausschuss darüber sprechen und es noch besser machen würden“, kündigte er an.

Seine Amtskollegin aus Bayern, Judith Gerlach, nannte das KHVVG die „euphemistische Beschreibung eines politischen Blindfluges“. Das Gesetz werde zu inakzeptablen Verwerfungen der Krankenhausversorgung führen, betonte sie. Zentrale Forderungen der Bundesländer seien nicht aufgegriffen worden. Zwar habe die Ampelfraktionen einige Forderungen der Länder untergebracht, beispielsweise die Möglichkeit, dass Kliniken künftig ohne wettbewerbsrechtliche Prüfung fusionieren dürften. Das ändere aber nichts an der Tatsache, dass eine Schablone des Bundes über alle Bundesländer gelegt, nicht funktioniere. Die Reform gebe zu starre Vorgaben vor, die keine Rücksicht auf die Versorgung nehmen würde, kritisierte Gerlach.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU), bemängelte eine fehlende Übergangsfinanzierung. Die Häuser in der Fläche würden mit der Reform nicht gestützt, sondern deren Lage noch verschlechtert werden, befürchtet er. Deutliche Kritik kam auch von der Gruppe Die Linke. „Bis gestern hat die Regierung dem Sterben der Krankenhäuser zugesehen, ab jetzt zerstört sie die Krankenhauslandschaft nach Plan“, sagte der Abgeordnete Ates Gürpinar.

Mit dem „fallabhängigen Bürokratiemonster, das durchökonomisiert ist“, werde die Krankenhausversorgung nicht verbessert, sondern verschlechtert, warnte er. Die Linke schlage statt der vorgesehenen „profitorientierten Finanzierung“ eine „selbstkostendeckende Finanzierung“ wie bei der Feuerwehr vor. Beschäftigte müssten zudem ent- statt belastet werden, forderte Gürpinar. Die AfD und BSW befürchten ebenfalls, dass die Krankenhausreform zu weiterem Krankenhaussterben und einem kalten Strukturwandel beitragen werde. Der BSW-Abgeordnete Andrej Hunko sorgte sich zudem um eine weitere Belastung der gesetzlich Versicherten durch die geplante Finanzierung des Transformationsfonds mithilfe des Gesundheitsfonds.

Ärzteschaft äußert sich weiter kritisch

Kritik kommt weiter auch von der Ärzteschaft und den Kliniken. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sieht es etwa kritisch, dass Kliniken teilweise an der ambulanten Versorgung teilnehmen dürfen sollen. Die Reform sei zudem nicht gut mit den Ländern abgestimmt. Ein unzureichender Bürokratieabbau bemängelt insbesondere der Marburger Bund (MB). Für die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) seien die Folgen der Reform ohne Auswirkungsanalyse kaum abzuschätzen. Auch die Bundesärztekammer (BÄK) kritisierte die weiter offenen Fragen zur Vergütung und Finanzierung. Auf der anderen Seite begrüßte die BÄK einige Änderungen, etwa die Berücksichtigung des ärztlichen Personalbemessungsinstruments oder die geplante Finanzierung der Weiterbildung in den Kliniken.